Donnerstag 19 September 2024

Tarifrecht öffentlicher Dienst

Bislang war das Tarifrecht für den öffentlichen Dienst, also die Regelung der Einkommens- und Beschäftigungsbedingungen, hauptsächlich im Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) festgelegt. Der ist mittlerweile über 40 Jahre alt, und so unterzeichneten öffentliche Arbeitgeber (Bund, Länder und Kommunen) und dbb tarifunion mit dem Tarifabschluss 2002/2003 für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auch eine Prozessvereinbarung für Tarifverhandlungen zur Neugestaltung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes. Die Tarifvertragsparteien zeigten sich darin einig, dass der öffentliche Tarifverbund zu erhalten ist. Das neu zu gestaltende Tarifrecht des öffentlichen Dienstes verlangte Einheitlichkeit und Differenzierung gleichermaßen, also allgemeine und bedarfsorientierte, spartenspezifische Regelungen.

Bei der Neugestaltung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes ließen sich die Tarifvertragsparteien von folgenden wesentlichen Zielen leiten:

  • Stärkung der Effektivität und Effizienz des öffentlichen Dienstes
  • Aufgaben- und Leistungsorientierung
  • Kunden- und Marktorientierung
  • Straffung, Vereinfachung und Transparenz
  • Praktikabilität und Attraktivität
  • Diskriminierungsfreiheit
  • Lösung vom Beamtenrecht
  • Einheitliches Tarifrecht für Angestellte und Arbeiterinnen/Arbeiter

Die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes wiesen darauf hin, dass auf Grund der Finanzlage der öffentlichen Haushalte dem Gebot der strikten Kostenneutralität Rechnung zu tragen sei. Die Intention der Neugestaltung des Tarifrechts beinhaltete auch die Flexibilisierung der Arbeitszeit sowie die Erhaltung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der öffentlichen Wirtschaft. Die dbb tarifunion wollte das Tarifrecht für die Beschäftigten attraktiver gestalten. Im Ergebnis wird ein Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) angestrebt, der aus einem Allgemeinen Teil und Besonderen Teilen besteht: Der Allgemeine Teil enthält das neue Tarifrecht mit den einheitlichen Regelungen für den gesamten öffentlichen Dienst; das ausfüllende oder spezifische Tarifrecht für die Verwaltungen, Krankenhäuser, Sparkassen, Flughäfen und Entsorgungsbetriebe wird jeweils in einem Besonderen Teil geregelt. Allgemeiner Teil und der jeweilige Besondere Teil sollen zusammen das Tarifrecht der entsprechenden Sparte des öffentlichen Dienstes ergeben. Aus beiden Teilen würden durchgeschriebene und von den jeweiligen Tarifvertragsparteien zu unterzeichnende Fassungen für jede Sparte erstellt. Allgemeiner Teil und die Besonderen Teile stünden unter dem Vorbehalt der Gesamteinigung. Die Tarifvertragsparteien strebten ein einheitliches Inkrafttreten aller Tarifverträge an.

Die Neugestaltung des öffentlichen Tarifrechts wurde dann auch mit Bund und Kommunen im Februar 2005 in Potsdam erfolgreich abgeschlossen. Der neue Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) entspricht den Erwartungen, die Arbeitgeber und dbb tarifunion im Frühjahr 2003 an ihn gestellt hatten: Der TVöD sichert erworbene, tarifvertraglich zugesicherte Arbeitnehmerrechte. Der neue TVöD bietet erweiterte Möglichkeiten, für eine leistungsorientierte Bezahlung. Der neue TVöD ist transparent und alltagstauglich.

Im krassen Gegensatz zur Einigung mit Bund und Kommunen stand die Verhandlungssituation mit den Ländern: Mit ihrer Entscheidung im März 2004, die Arbeitszeitverträge für Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst zu kündigen, haben die Ministerpräsidenten ihre Bereitschaft aufgekündigt, weiterhin am Prozess der Neugestaltung des öffentlichen Tarifrechts gestaltend teilzunehmen, und sich selbst ins Abseits manövriert. Wer mitten in laufenden Verhandlungen Verträge kündigt, der ist am Tarifkompromiss nicht interessiert. Unter diesen Rahmenbedingungen sahen die Gewerkschaften keine Basis mehr, weiter mit den Ländern, also der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Neugestaltung des öffentlichen Tarifrechts zu verhandeln. Diese Entscheidung haben sich die Gewerkschaften nicht leicht gemacht, immerhin geht es um 900.000 Arbeitnehmer, die durch die „Herr-im-Haus-Politik“ der Länderchefs bislang nicht an der Neugestaltung teilnehmen. Doch die Kündigung der Arbeitszeittarifverträge war eine Provokation zu viel: Bereits im Sommer 2003 hatten die Länder mit der Kündigung der Verträge über Urlaubs- und Weihnachtsgeld die Neugestaltung des öffentlichen Tarifrechts an den Rand des Scheiterns gebracht. Erst im März 2005 näherten sich Gewerkschaften und Länder wieder an und nahmen Gespräche über die Neugestaltung des Tarifrechts auf Länderebene auf. Nach weiteren intensiven Verhandlungen, denen ein Streik von 14 Wochen Dauer vorausgegangen ist, haben sich die Tarifvertragsparteien im Oktober 2006 auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) sowie auf den Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) geeinigt.

 

Stand: November 2010
  • Tarifrecht neu
  • Tarifrecht alt
  • Ein einheitliches Tarifwerk für alle (TVöD)
  • Zwei geulennte Tarifwerke für Angestellte, Arbeiterinnen und Arbeiter(BAT/BAT-O, MTArb/MTArb-O)
  • Arbeitszeit einheitlich 39 Stunden/Woche im Bereich des Bundes; für kommunale Beschäftigte im Tarifgebiet Ost 40 Stunden/Woche, im Tarifgebiet West 38,5 Stunden/Woche
  • Arbeitszeit Tarifgebiet West 38,5 Stunden/Woche, Arbeitszeit Tarifgebiet Ost 40 Stunden/Woche
  • - Ausgleichszeitraum für geleistete Überstunden nun bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche
    - Flexibilisierung der Arbeitszeit: bei betrieblicher Vereinbarung können bis zu 45 Stunden / Woche bzw. zwischen 6 und 20 Uhr zuschlagsfrei Überstunden angeordnet werden (Arbeitszeitkorridor / Rahmenzeit)
  • Enger Zeitrahmen für Überstundenausgleich (max. 1 Woche)
  • 15 Entgeltgruppen in einem Tarifvertrag (TVöD), alle Beschäftigten wechseln ins neue System mit Inkrafttreten des TVöD (vollständige Ablösung des BAT/BAT-O und MTArb/MTArb-O)
  • 49 Lohn- und Vergütungsgruppen in verschiedenen Tarifverträgen
  • Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes durch verbesserte Bezahlung zu Beginn des Berufslebens
  • Bezahlung nach Lebensalter (bis zu 15 Stufen)
  • Zukünftig bis zu 8 Prozent der Gesamtentgeltsumme des jeweiligen Arbeitgebers als variable leistungsabhängige Vergütung (Start in 2007 mit 1 Prozent) zusätzlich zum regulären Entgelt)
  • Keine leistungsabhängigen variablen Bezahlungselemente
  • Aufstieg in eine höhere Entgeltgruppe nur noch funktionsabhängig (nicht nach Zeitablauf)
  • Bewährungs- und Zeitaufstiege in höhere Lohn- und Vergütungsgruppen (leistungsunabhängig)
  • Familienstand und Kinderzahl spielen für Bezahlung keine Rolle mehr
  • Bezahlung auch in Abhängigkeit vom Familienstand und Kinderzahl
  • Schaffung einer neuen sozial gestaffelten Jahressonderzahlung mit gegenüber bisheriger Regelung abgesenktem Volumen ab 2007
  • Weihnachtsgeld ( 82,14 %West bzw. 83,20% für Auszubildende West/ 61,60 % Ost bzw. 62,14 % Auszubildende Ost)Urlaubsgeld (255,65 € (Angestellte I bis Vb, Auszubildende West sowie Tarifgebiet Ost)bzw. 332,34 € (Angestellte Vc bis X West))
  • Deutliche Reduzierung der Eingruppierungsmerkmale durch schlanke und praktikable Regelung nach Probeläufen Ende 2006
  • Unüberschaubare Eingruppierungsvorschriften: ca. 17.000 Eingruppierungsmerkmale
  • Konkurrenzfähigkeit durch neue niedrigere Entgeltgruppe
  • Outsourcing / Privatisierung einfachster Tätigkeiten
  • Einführung der Instrumente Führung auf Zeit (bis zu 12 Jahre) und auf Probe (bis zu 2 Jahre)
  • Nur dauerhafte Übertragung von Führungsfunktionen möglich
  • Gesetzliche Entgeltfortzahlung 6 Wochen; danach Kombination aus Krankengeld und Krankengeldzuschuss für maximal 39 Wochen
  • Altregelung für rund 60 Prozent der Angestellten im Tarifgebiet West mit Verpflichtung des Arbeitgebers zur vollen Entgeltfortzahlung für eine halbes Jahr
  • Verbesserung der Mobilität durch Möglichkeiten zum Personalaustausch - insbesondere zwischen Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst
  • Nur begrenzte Beschäftigungsmöglichkeiten bei ander